Meine Einschätzung der Sondierungsergebnisse

Ich werde zu Recht gefragt: Was ist denn ihre Meinung? Wie soll es nach den Sondierungen weitergehen? Hier meine Antwort:

Wir als SPD sind mit einer Vielzahl von Inhalten, Konzepten und Positionen angetreten – einige davon konnten wir in den Sondierungen in vollem Umfang festschreiben, bei anderen sind Kompromisse entstanden, einige Forderungen mussten wir aufgeben.

Insgesamt handelt es sich aus meiner Sicht um ein Ergebnis mit Licht und Schatten. Eindeutig ist für mich, dass das Sondierungsergebnis eine sozialdemokratische Handschrift trägt und sich die SPD in mehr Politikfeldern durchsetzen konnte, als es CDU/CSU gelungen ist – trotz des Wahlergebnisses von 20,5 Prozent zu 32,9 Prozent. Einige Schwerpunkte möchte ich an dieser Stelle kurz auflisten:

  • Programm zur öffentlichen geförderten Beschäftigung und damit dem effektiven Kampf gegen Langzeitarbeitslosigkeit
  • Wiederherstellung der paritätischen Finanzierung in der gesetzlichen Krankversicherung
  • Mehr Geld für Kinderbetreuung / Reduzierung und perspektivische Abschaffung der Kita-Gebühren
  • Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschüler für bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf
  • Erhöhung des Schulstarterpakets und Wegfall der Eigenanteile zur gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung in Kitas und Schulen und für Schülerbeförderung
  • Reduzierung der Sozialbeiträge für Geringverdiener
  • Stabilisierung des Rentenniveaus ohne Anhebung des Renteneintrittsalters
  • Einstieg in eine Solidarrente
  • Fortführung des hohen Einsatzes von Bundesmitteln beim sozialen Wohnungsbau
  • Abschaffung des Solidaritätszuschlags für kleine und mittlere Einkommen
  • Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung
  • Und auch wenn manche es anders interpretieren: Beibehaltung des Asylrechts ohne Obergrenze

Wichtige Punkte sind darüber hinaus die weitere Aufweichung des Kooperationsverbots und damit die Möglichkeit des Bundes, direkt in allgemeinbildende und berufliche Schulen zu investieren – ein Punkt, der uns als Partei und mir persönlich seit Jahren sehr wichtig ist. Ebenfalls positiv im Sondierungspapier: Von der von CDU/CSU geforderten extremen Aufstockung des Verteidigungsetats ist nichts übrig geblieben. Zur Erinnerung: CDU/CSU wollten den Verteidigungsetat deutlich aufstocken von derzeit 35 Milliarden Euro auf über 70 Milliarden Euro jährlich  – wir waren strikt dagegen und haben uns durchgesetzt.

Es gibt viele weitere Punkte, die auf die Entlastung von Facharbeitern und Familien abzielen und die das Lebens der Menschen mit normalen Einkommen und den Alltag von Familien ein Stück besser und einfacher machen würden.

Viele Menschen haben Themen, die sie besonders interessieren und die sie für besonders wichtig erachten. Das ist gut so. Als Partei müssen wir kontrovers diskutieren und ich kann gut nachvollziehen, wenn Menschen, denen die Flüchtlingspolitik besonders am Herzen liegt, enttäuscht sind, während die Bildungs-, Familien-, Europa- und Kommunalpolitiker sich freuen.

Es gibt auch Punkte bei denen ich mir mehr gewünscht hätte. Zum Beispiel die Neuordnung der sachgrundlosen Befristung. Dass sich hier nichts tut, ist für mich als Gewerkschafterin schwer zu akzeptieren. Auch hätte ich mir einen Einstieg in das Arbeitslosengeld Q – also der längeren Gewährung von Arbeitslosengeld I, wenn man eine Weiterbildung absolviert – gewünscht.

Auch diese Liste könnte noch erweitert werden. Dennoch bin ich für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen und ich wünsche mir, dass der Parteitag den Weg dafür freimacht und letztendlich alle Mitglieder die Möglichkeit zur Mitentscheidung über die Frage bekommen, ob die SPD wieder ein eine Große Koalition eintreten sollte.

Der Weg der SPD zu diesem Sondierungsergebnis war steinig. Die Jamaika-Partner haben von Beginn an unseriös verhandelt und sind komplett gescheitert. Die Scherben haben sie der SPD vor die Füße gekippt.

Als SPD haben wir mit seriösen, intensiven Verhandlungen geantwortet – und bleiben uns treu, wenn es um unsere demokratischen Entscheidungsprozesse geht. Während bei der CDU/CSU ein kleiner Zirkel über die Partei und die Koalitionsfrage entscheidet, entscheiden bei der SPD die Delegierten und die Mitglieder und zeigen damit klar: die SPD ist eine demokratische Mitgliederpartei und kein Kanzlerwahlverein!

Herzliche Grüße

Gabriele Katzmarek